Pflichtteil entziehen – vollständige Enterbung möglich?
Ehepartner, Kinder und weitere Familienangehörige wie Eltern, Geschwister oder Onkel und Tanten gehören zu den gesetzlich berechtigten Erben der Erbfolge. Allerdings kann der Erblasser bestimmte Personen von der Erbfolge mittels eines Testamentes oder eines Erbvertrages ausschließen. Die Gründe dafür sind oft im privaten Bereich zu finden und rühren nicht selten aus Streitigkeiten hervor, sie müssen jedoch aufgrund der Testierfreiheit nicht angegeben werden.
Wird eine Person von der Erbfolge ausgeschlossen, so ändert dies ihre Rechte auf den Nachlass. Das heißt, der gesetzliche Erbe wird durch die Enterbung von der Vermögensnachfolge wie Besitz- und Nutzungsrechte an Nachlassgegenständen ausgeschlossen.
Die Enterbung greift aber auch auf die Nachkommen der enterbten Person über, falls dies im Testament nicht anders bestimmt wurde, sodass auch diese von der Erbfolge ausgeschlossen werden.
Ersetzt werden kann der Enterbte durch einen Wunscherben.
Wer ist pflichtteilsberechtigt?
Nahestehende Verwandten kann auch nach einer Enterbung eine Mindestbeteiligung des Erbes zustehen – der sogenannte Pflichtteil. Der Pflichtteil unterliegt dabei gesetzlichen Regelungen, nach § 2303 BGB, welcher die Pflichtteilsberechtigten regelt. Dazu gehören:
• alle Kinder, Enkel und Urenkel (ehelich, außerehelich, mit Legitimierung und adoptiert),
• der Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner des Erblassers nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz,
• die Eltern des Erblassers.
Neben der Pflichtteilsberechtigung muss zudem auch ein Anspruch, also die Erbrangfolge, auf den Pflichtteil vorliegen. Um einen Pflichtteil einzufordern, darf der Anspruch nicht verjährt sein. Der Pflichtteilsanspruch unterliegt einer Verjährungspflicht von drei Jahren (§ 195, 199 BGB).
Der Pflichtanteil beträgt dabei 50% des gesetzlichen Erbanteils, welcher wiederum von der Erbfolge abhängt.
Pflichtteilsentzug: diese Gründe können vorliegen
Trotz des Pflichtteilanspruchs von nahen Angehörigen können diese unter bestimmten Umständen vollständig vom Erbe ausgeschlossen werden. Man spricht hierbei von einer vollständigen Enterbung bzw. einem Pflichtteilsentzug. Allerdings bedarf es dazu jedoch triftiger Gründe, welche im Testament aufgeführt sein müssen, hierfür eignet sich die Nennung von gerichtlichen Urteilen oder Anzeigen. Normiert wird dies in § 2333 BGB.
Beispiele wären ein schweres, vorsätzlichen Vergehen oder ein Tötungsversuch zu Lasten des Erblassers bzw. einer dem Erblasser nahestehenden Person.
Eine weitere Möglichkeit für den Pflichtteilsentzug ist die rechtskräftig angeordnete Unterbringung oder Aufenthalt des Erben in einer psychiatrischen Klinik oder Entzugsanstalt.
Ebenso kann eine Gefängnisstrafe eine Unzumutbarkeit für den Erblasser darstellen.
Eine Entziehung des Pflichtteils wegen groben Undanks ist nicht möglich. Der grobe Undank berechtigt jedoch dazu, Schenkungen zurückzufordern.
Der Erblasser kann dem Pflichtteilsberechtigten ein zur Pflichtteilsentziehung berechtigendes Verhalten verzeihen. Eine bereits angeordnete Pflichtteilsentziehung wird dann nach § 2337 BGB unwirksam.
Alternativ Reduzierung des Pflichtteils möglich
Ist das Enterben ohne Pflichtteil nicht möglich, kann der Pflichtteil zumindest reduziert werden.
Zum Beispiel durch Adoption. So mindert sich der Anspruch anderer Pflichtteilsberechtigter durch die Adoption von Kindern (beispielsweise aus zweiter Ehe).
Die Pflichtteilsreduzierung kann auch durch die „Ausstattung der Abkömmlinge“ erfolgen. Dabei ist jedoch ein angemessenes Verhältnis zum elterlichen Vermögen erforderlich.
In jedem Fall sollte ein Testament rechtswirksam errichtet sein. Ihre Kanzlei Höchstetter & Koll. berät sie dazu gerne umfassend.