BAG: Urteil zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz
Videokameras können zur Dokumentation von Fehlverhalten am Arbeitsplatz verwendet und in der Folge im Rahmen einer Kündigungsschutzklage eingeführt werden, auch wenn die Aufzeichnung gegen das Datenschutzrecht verstoßen sollte. Der Datenschutz soll dabei nicht dem Täterschutz dienen. So entschied das BAG kürzlich (Urt. v. 29.06.2023, Az. 2 AZR 296/22).
Teamsprecher verließ vor Schichtbeginn den Arbeitsplatz– H2
In einer Gießerei soll im Juni 2018 ein Mitarbeiter in seiner Funktion als Teamsprecher vor Beginn der Schicht das Werksgelände verlassen und dennoch den Lohn für den entsprechenden Tag erhalten haben. Nach einem anonymen Hinweis erfolgte die Auswertung der Überwachungskameras, die belegten, dass der Mitarbeiter bereits vor Schichtbeginn das Gelände verließ. Es erfolgte die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mitarbeiters.
Dieser reichte eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht ein, da er seiner Aussage nach pünktlich zur Arbeit erschien und seine Schicht wie gewohnt absolvierte. Als dann als Beweis für seine Abwesenheit das Überwachungsvideo vorgelegt wurde, widersprach der Mitarbeiter der Berücksichtigung des Videos, da die Überwachung seiner Ansicht nach gegen Datenschutzrecht auf Bundes- und EU-Ebene verstoße. Hinweisschilder wiesen eine maximale Speicherdauer von 96 Stunden aus, die in diesem Fall überschritten worden sei. Eine Betriebsvereinbarung untersage zudem eine personenbezogene Nutzung der Aufzeichnungen.
Damit unterlägen die Videoaufzeichnungen nach Ansicht des Mitarbeiters einem Verwertungsverbot. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachen folgten der Argumentationskette und gaben der Kündigungsschutzklage statt (Urt. v. 06.07.2022, Az. 8 Sa 1149/20).
Das Urteil des BAGs – H2
Der BAG hab die Entscheidung des LAGs auf und überwies den Fall an das Gericht zurück. Die Richterinnen und Richter des BAGs stellten fest, dass es für die Verwertbarkeit der erhobenen personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers in Arbeitsgerichtsverfahren unerheblich sei, ob die Videoüberwachung vollständig den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes und der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entspricht. Dies gilt insbesondere, wenn eine absichtliche Fehlhandlung vorliegt und die Überwachungskamera deutlich erkennbar ist.
Datenschutzverstoß und Beweisverwertungsverbot – H3
Laut BAG führt ein möglicher Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot. Vielmehr muss das Tatsachengericht die gegensätzlichen Interessen abwägen, ähnlich wie bei nicht normierten Verwertungsverboten im Strafprozess.
Interessensabwägung in Fällen vorsätzlicher Fehlverhaltens – H3
In Fällen einer fristlosen Kündigung wegen vorsätzlichen Fehlverhaltens überwiegt nach Auffassung des BAG das Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung des Sachverhalts gegenüber den Datenschutzinteressen des Arbeitnehmers. Eine Ausnahme bildet der Fall einer schwerwiegenden Grundrechtsverletzung durch offene Überwachungsmaßnahmen, was hier jedoch nicht gegeben war. Eine entscheidende Rolle spielte dabei die offenkundige Art der Überwachung.
Quellen
BAG zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz (lto.de; zuletzt aufgerufen am 24.07.2023)
Dürfen Videoaufzeichnungen im Prozess verwertet werden? (wbs.legal.de; zuletzt aufgerufen am 24.07.2023)
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