Generalanwalt am EuGH: Kein Anspruch auf Erstattung von Urlaubstagen nach Quarantäne
Steckt sich ein Arbeitnehmer kurz vor seinem Urlaub mit Corona an, sodass er diesen in Quarantäne verbringen muss, ist dies kein Grund die Urlaubstage nachträglich in Anspruch nehmen darf. So beurteilt dies Priit Pikamäe, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof in seinen Schlussanträgen.
Anlass der Klage
Im Dezember 2020 hatte ein Mitarbeiter einer Sparkasse für einige Tage Urlaub genommen. Kurz vor Antritt des Urlaubs hatte er allerdings Kontakt mit einem coronapositiven Arbeitskollegen, sodass eine Quarantäne angeordnet wurde. Der Arbeitnehmer musste damit seinen Urlaub in Quarantäne verbringen, wechselte dabei rein zwischen Schlafzimmer und Badezimmer, um alle weiteren Personen in seinem Haus nicht zu gefährden. Er forderte bei seinem Arbeitgeber, die „verlorenen“ Tage nachholen zu können, was die Sparkasse ablehnte.
Kein Anspruch auf Erholung
Daraufhin wurde der Fall dem Arbeitsgericht (ArbG) Ludwigshafen am Rhein vorgelegt und schließlich vom Vorsitzenden Richter Thomas Faulstroh dem EuGH zur Klärung zugeführt. Die Hauptfrage lautet, ob das Unionsrecht im Falle solcher unvorhersehbaren Ereignisse den Urlaub, der nach deutschem Recht als genommen gilt, in Frage stellt. Es wurde anerkannt, dass Arbeitnehmer während einer Quarantäne in ihren persönlichen Aktivitäten und Bewegungen erheblich eingeschränkt sind, doch laut dem Generalanwalt ändert dies nichts an einem potenziellen Verbrauch der Urlaubstage. Der Fokus der relevanten Art. 31 der EU-Charta und Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie (2003/88) liegt darauf, dass EU-Mitarbeiter zunächst Urlaub erhalten. Dabei geht es darum, den Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, sich zu erholen, nicht zu arbeiten und frei über ihre Zeit zu verfügen – nicht mehr, nicht weniger.
Darüber hinaus betont der Generalanwalt, dass aus diesen Regelungen und der bisherigen EuGH-Rechtsprechung nicht hervorgeht, dass der Urlaub tatsächlich Entspannung, Erholung und Freizeitaktivitäten gewährleisten muss. Der Generalanwalt argumentiert in seinen Schlussanträgen, dass „das Recht auf bezahlten Jahresurlaub nicht mit dem Recht auf das tatsächliche Ergebnis eines solchen Urlaubs verwechselt werden sollte“. Sonst dürfte nie ein störendes Ereignis während des Urlaubs auftreten, damit die Tage als genommen gelten. Daher ist das europäische Urlaubsrecht nach Meinung des Generalanwalts nicht die Lösung für solche Fälle. Nationales Recht, wie in diesem Fall das deutsche Recht, nach dem Urlaubstage trotz Quarantäne als genommen gelten, widerspricht dem EU-Recht nicht. Es ist jedoch zu beachten, dass sich dieser Fall auf eine ältere Rechtslage bezieht: Urlaub gilt nur in Fällen bis September 2022 als verbraucht. Seitdem bestimmt § 59 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), dass die Tage der Absonderung nicht mehr auf den Jahresurlaub angerechnet werden.
Entscheidungen anderer Instanzen
In Deutschland entschieden bereits das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein (AZ: 1 Sa 208/21) und das ArbG Neumünster (AZ: 3 Ca 362 b/21), sowie das Bundesarbeitsgericht in ihrem Urteil 2020 (AZ: 9 AZR 612/9), dass Urlaub kein Anspruch auf Erholung garantiert. Die Argumentation der Gerichte: „Die Arbeitgeber schulden die Freistellung von der Arbeit bei voller Entlohnung, aber keinen darüberhinausgehenden Urlaubserfolg“. Alles was den Urlaub beeinträchtigen kann, fällt in das Risiko des Arbeitnehmers. Damit ist eine reine Quarantäne noch keine Arbeitsunfähigkeit.
Anders verhält es sich bei ärztlich attestierter Krankheit. Hier werden nach §9 BurlG die Tage der Arbeitsunfähigkeit erstattet.
Quellen
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/eugh-c20622-schlussantraege-corona-urlaub-quarantaene/